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Abstrakte Kunst in der DDR

Ungehobene Schätze

„Wir wollen in unseren Kunstschulen keine abstrakten Bilder mehr sehen!“ Wie werden sich die angesprochenen Kunststudenten und Maler gefühlt haben, nachdem Walter Ulbricht 1951 diesen ungeheuerlichen Satz gesagt hatte? Es war eine Drohung des mächtigsten Mannes im Staate DDR. Mit ihm war nicht zu spaßen. Und es gab immer wieder Repressionen gegen unliebsame Künstler, die nicht der Doktrin des „sozialistischen Realismus“ folgten: Ausstellungsverbote, Zerstörung von Bildern, Verurteilung zur „Bewährung im Kohlekombinat“.  Später auch Rausschmiss in die BRD.

Da hatte es der Westen einfach, die amerikanische und europäische abstrakte Malerei als Ausdruck und Beweis der Freiheit gegen die unfreie Propagandakunst des Ostens ins Feld zu führen. Falls man die Arbeiten der Künstler dort überhaupt als Kunst gelten ließ. Aber es gab  in der DDR trotz der staatlichen Unterdrückungsversuche abstrakte Kunst, nicht gegenständliche oder konstruktivistische Bilder. Es gab immer Künstler, die sich nicht einschüchtern ließen und eigensinnig ihr Ding machten. Einige arbeiteten still im Verborgenen, zeigten nur Eingeweihten ihre Werke, andere hatten Erfolg im Westen, stellten dort aus und verkauften. Die Devisen, die so ins „sozialistische“ Land kamen, waren dann doch auch der Regierung willkommen. Andererseits unterwanderte die Stasi mit der Zeit alternative Kunstszenen, was nach dem Ende der DDR ans Licht kam, und stellte damit die Autonomie des „Undergrounds“ in Frage.

So blieb es ein gefährliches Spiel. Gerade deshalb erscheint es im Rückblick als ein mutiger Akt, sich die Freiheit für die individuelle Kunst im SED-Staat zu nehmen, ein Mut, den Künstler im Westen nicht nötig hatten. Und den Freiraum erkämpften sich nicht nur die seit langem hoch gehandelten Kunsthelden wie Gerhard Altenbourg und Carlfriedrich Claus, gefolgt von Hermann Glöckner, Max Uhlig, Eberhard Göschel oder Hanns Schimansky. Nein, es gab viele weitere „Abstrakte“ zwischen Rostock und Dresden. Nach 1990 tauchten sie allmählich auf in Ausstellungen und Publikationen, und es gibt bis heute immer noch neue Entdeckungen. Die Geschichte der abstrakten Kunst in der DDR muss aber noch geschrieben werden. Bisher erschienene Publikationen leiden oft darunter, dass es zwar aufschlussreich um Ideologiekämpfe, West-Ost-Streit und sonstige historische Fakten geht, aber zu wenig oder zu wenig kenntnisreich um Bilder. Unterdrückt und zensiert wurden indes nicht nur Maler und Bildhauer – und mit ihnen natürlich das Publikum -, sondern eben auch die Werke, die erst einmal zu sehen sein müssen, um ihre Wirkung verstehen zu können.

Im Anhang liste ich einige Namen von abstrakten Künstlern auf, mit der Empfehlung, sie und ihre Arbeiten im Internet aufzustöbern. Sie alle treten den Beweis an, dass die überhebliche Behauptung von Georg Baselitz nach der „Wende“ falsch war, im Osten habe es überhaupt keine Kunst gegeben, weil Kunst nur in Freiheit, sprich im Westen entstehen konnte. Baselitz war damals offenkundig blind sowohl für die Bedrohungen der Kunstfreiheit im Westen wie für die Spielräume, die Maler sich im Osten erkämpfen konnten. Er setzte gegen die ideologische Haltung von Ulbricht und Genossen schlicht seine eigene, ebenfalls ideologische Ansicht. 

Nun meine Auswahl aus der Riege der Abstrakten in der DDR. War es reine Männersache? Bisher habe ich ausschließlich Hinweise auf Männer finden können: Karl-Heinz Adler, Herbert Behrens-Hangeler, Joachim Böttcher, Dieter Goltzsche, Volker Henze, Günther Hornig, Edmund Kesting, Hans Kinder, Manfred Luther, Helmut Schmidt-Kirstein, Kurt W. Streubel, Olaf Wegewitz und Horst Zickelbein.