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WEG: Sonja Karle

Die Wilden kehren zurück

Foto O.T., Detail vom alten Kircheiber Campingplatz, von Sonja Karle

Mit der morbiden Szenerie des alten Kircheiber Campingplatzes hat sich Sonja Karle intensiv fotografisch auseinandergesetzt. Ihr selbst angefertigtes Fotoalbum-Unikat mit 25 Farbaufnahmen vermittelt erschreckende wie kuriose Eindrücke aus der einstigen und nun zerstörten Idylle, wobei der ästhetisch-formale Anspruch an die Bilder nicht hinter dem dokumentarischen rangiert.

Neben dem Bilderalbum liegt ein zweites, kleineres Buch, ein handelsübliches „Minifotoalbum“, das nun aber kurze Texte der Künstlerin enthält. „Am Rand zeigen wir Zähne und locken dann mit Fahnen und farbigen Lippen“: Solch poetische Aussagen entwickelt Karle aus dem Vokabular botanischer Beschreibungen. Es sind Pflanzenteile, die  metaphorisch mit Begriffen für den menschlichen Körper und Dingbegriffen benannt werden.

Indem die Künstlerin sie zum Subjekt einer Aussage macht, zu einem lyrischen Wir, betont sie die Rolle, die die Pflanzen auch in den Fotografien spielen. Sie überwuchern und durchwachsen die zurückgelassenen Campingwagen und Utensilien, daher erklärt sich der Titel der Arbeit „Die Wilden kehren zurück und erobern das Terrain. Keine Geschichte“. 

Und der Mensch? Hat den Platz verlassen und ist nurmehr indirekt präsent, in seinen Spuren und am deutlichsten in der Digitalcollage, die bei den Alben hängt: Auf der Camouflage-ähnlichen Struktur von Platanenrinde erscheint die grafische Darstellung einer menschlichen Figur mit der Karte von Hautarealen. Die Strukturen durchdringen sich, Rinde und Haut scheinen zu verwachsen. Wo ist die Grenze zwischen den Lebewesen?

Die zweite Installation von Sonja Karle in der Ausstellung „WEG“ verbindet wiederum Fotos mit einer Digitalcollage, die jetzt die Verbindung von Mensch und Tier zum Thema hat: Wie Röntgenaufnahmen erscheinen der Körper des „Großen Puppenmörders“ und das in die Form des so martialisch benannten Käfers eingepasste menschliche Skelett. Das Unheimliche, das die Bilder vom verlassenen Gelände zeigen, lenkt Karle damit in die Richtung existenzieller Dramatik. An Kafkas „Verwandlung“ darf man hier zu Recht denken.

sonjakarle.eu