Dieser Blog ist textlastig. Bilder, die für sich sprechen, kommen auf artigart zwar vor, doch sie sind die Ausnahme. Das wird auch so bleiben, denn hier geht es vor allem um Fragen an die Kunst, das Vergewissern, das Gespräch, ja – und auch um die Lust am Schreiben.
Also Sprache. Jedoch soll nie vergessen sein, dass ein Bild nicht durch einen Text vollständig erklärt, übersetzt, ersetzt werden kann. Na, wer will das schon? Der Vorwurf, die Bilder hinter verbalen Wissenskonstruktionen verschwinden zu lassen, ist den Disziplinen, die sich mit Kunst befassen, allerdings oft gemacht worden, allen voran der Kunstgeschichte und der Kunstphilosphie. Und sicher zu Recht.
Angesichts eines Bildes können wir in und mit günstigen Augenblicken erleben, wie ergreifend das Visuelle sein kann, wie vor jeder Erklärung das Bild in seiner nicht sprachlichen Präsenz wirkt. Wie ein Rätsel bleibt. Sich diesem Erleben zu öffnen, bevor die Seh-Konventionen, die Wissens-Konnotationen und damit das Übersetzen des Visuellen in Begriffe losgehen, ist nicht leicht. Vielleicht hilft eine gewisse Übung.
Vielleicht. Die menschliche Sinneswahrnehmung funktioniert nicht ohne Imagination. Unbewusst spielen in jedem Augenblick metaphorische Konzepte der Welterkenntnis eine Rolle. Unschuldiges Sehen wäre demnach unmöglich.
Darauf setzen die medialen Bilder, die uns täglich umgeben, deren immerwährende Bewegung schon lange als Flut, als Überflutung beschrieben wird. Sie sollen triggern, ganz bestimmte Vorurteile aufrufen. Sie funktionieren in einem sprachlichen Rahmen, in dem das rein Visuelle verschwindet. Darauf reagiert die bekannte künstlerische Strategie, Klischees zu verfremden, um das urspüngliche Bild wieder sichtbar zu machen.
Es gibt Bilder oder Bildbereiche, die für den Markt der Medien nicht taugen: Die leere Fläche ist bei diesem Spiel nicht brauchbar, wie eine ungenutzte Werbetafel. Vergeudetes Material. In der Kunst allerdings funktioniert das Nichts oder das Fast-Nichts. Ein frühes Beispiel: In der Verkündigungsszene von Fra Angelico (Fresco in San Marco, Florenz, 1441) ist die leere Wand, die das Bildzentrum zwischen den Figuren genauso ausfüllt wie offen lässt, eine Projektionsfläche für die Imagination des Betrachters, ein visuelles Ereignis, das nichts festlegt. Springen wir in die Moderne, finden wir Leinwände mit raren Markierungen, delikate abstrakte Szenen, oft inspiriert von ostasiatischen Vorbildern. Nebenbei: Auch in der Plastik spielt der Gegensatz von leerem Raum und Materie eine Rolle, so bei Chillida, der die Dynamik der Grenze sinnfällig machte.
Oder gleich monochrome Tafeln: Dass aber solche visuell radikal reduzierten Bilder in ihrem Sehangebot zu beliebig, offen zum Gebrauch für jegliche Interpretation sind, ist ein richtiger Einwand. Weiße, schwarze oder andersfarbige Quadrate haben ihre Wirkung erschöpft. Ihr Ornament bietet kein Rätsel mehr.
Das weiße Blatt ist für den Schreiber wie für den Zeichner die Chance und die Herausforderung, Neuland zu betreten, den ersten Buchstaben, den ersten Strich zu setzen. In dem Moment beginnt das Bild, und die Spannung zwischen den Markierungen, der leere Raum im Feld der Zeichnung, also das Fast-Nichts, bleibt weiter spannend. Es vibriert zwischen den Rändern und nur mit ihnen. Wer offen ist für das Visuelle, findet für seine Übung hier einen Ausgangspunkt. Vielleicht.
Es geht nicht darum, Bilder mit opulenter Fülle, durchgearbeitete Flächen, das Spiel mit allen Registern abzuwerten. Im Gegenteil: Damit das Visuelle seine Feste feiern kann, müssen die Grenzen des allzu schnellen Begreifens und Wissens erst recht aufgehoben werden. Die Offenheit des Fast-Nichts, als Vermögen im Hintergrund des Betrachtens, erleichtert einen Zugang auch hier.