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Aus der Wirklichkeit

Pandemietauglich: der Schmuckeremit

Schmuckeremit im Muskauer Park, mit Impfnachweis

Eine vergessene Kunstfigur freut sich – still und einsam, wie es ihr geziemt – über eine unerwartete Renaissance. Lange war der „Schmuckeremit“ aus der Mode, nun plötzlich ist er auf dem Weg zum perfekt pandemietauglichen Rollenmodell. Wer hätte denn mehr Abstand zum Publikum, als der von ferne winkende Bewohner einer malerischen Grotte? Während die Musikkneipen und die Theaterbühnen großen Aufwand treiben müssen, um überhaupt Künstler und Zuschauer in eine sichere Konstellation zu bringen, wenn die Akteure nicht nur vom Balkon trällern wollen, hat der Darsteller eines romantischen Einsiedlerlebens in einer weitläufigen Parkanlage da überhaupt kein Problem. Unbekümmert um 2G (plus) oder 3G setzt er sich einfach in Positur, krault seinen Bart und ruft: „Jetzt glotzt mal schön romantisch!“

Die ganz Coolen nennen sich „ornamental hermits“ und posieren in den Netzwerken mit Selfies. Ganz klar, dass es auch Schmuckeremitinnen gibt, allerdings ohne Bart, weshalb sie es noch haben schwer in diesem Metier. Die Vorbilder der lebenden Zierfiguren stammen aus dem 18. Jahrhundert. In englischen Landschaftsparks gehörten sie zum Inventar, meist nur mäßig gut bezahlt, dafür aber völlig stressfrei. Sich den Besuchern des Parkbesitzers von Ferne im wallenden Gewand zu zeigen, das war ja schon alles, was sie zu erledigen hatten.

In der Regel gelten die Eremiten heute als Selbstständige, die frei entlohnt werden, es gibt aber auch bereits 400-Euro-Jobs in diesem florierenden Gewerbe. Die Gewerkschaft verdi feilt deshalb schon an einem Tarifvertrag „Ornamentale Dienstleistungen“. Das Problem dabei ist, die echten Künstler von denen exakt zu unterscheiden, die irgendwo in anderen Berufsgruppen als bloße Schmuckelemente existieren.