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Rahmen

Der Rahmen kann auch aus dem Rahmen fallen… (Bild: artigart)

Ursprünglich hatte er keine ästhetische, sondern allein eine stützende Funktion. Das Wort Rahmen kommt wohl, wie so viele unserer Dingbezeichnungen, aus dem Handwerk: Als Webrahmen, später auch als Fensterrahmen und in vielen anderen Verwendungen war und ist er technisch notwendig. Und so auch bei Bildern als Keilrahmen. Etymologisch ist der Rahmen verwandt mit Rand.

Bildränder bereits auf alten Wandmalereien kannten die architektonische Umrahmung mit ihrer gestalterischen und bedeutungsgebenden Funktion. Den metaphorischen Rahmen also, der technisch nicht notwendig ist. Holztafeln und Leinwandbilder bekamen Holzrahmen, gerne prunkvoll vergoldet. Sie trennen den Bildraum vom Umgebungsraum. Wenn sie aufwändig gemacht und wertvoll sind, werten sie das Bild ebenso auf wie seinen Ort.

Mit der massenhaften Verbreitung von Reproduktionen im 19. Jahrhundert kamen die billigen einfachen Fabrikrahmen aus verschiedenen Materialien in den Handel. Aber auch für die Unikate der gehobenen Kunst wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts gerne auf farb- und formenreiche Umrahmungen zugunsten schlichter Leisten verzichtet, selbst im sonst so dekorverliebten Jugendstil.

Und dann fiel der Rahmen ganz weg, denn die Bilder sollten als entgrenzt wahrgenommen werden, als Fragmente eines größeren Zusammenhangs, eines Kontinuums. Da störte der Rahmen. Die Moderne setzt auf den Prozessgedanken des unabgeschlossenen Werks, soweit sie den zweidimensionalen Bildraum nicht ohnehin verließ.

Noch einmal zur Wortgeschichte: Das Verb „rahmen“ meinte neben der technischen Handlung auch „auf etwas zielen“, „etwas bestimmen“. Hier scheint bereits der übertragene Sinn der rhetorischen Rahmung angelegt, heute viel diskutiert als „Framing“. Das meint allgemein die Einengung auf eine bestimmte Perspektive, die Steuerung der Sichtweise auf einen Sachverhalt. Ein beliebtes Beispiel der Kommunikationsforschung ist die „Steuerlast“ der Bürger. Durch dieses Framing wird ohne jede Debatte von vornherein die Abgabe negativ gefärbt, ausschließlich als Belastung. Würde man dieselbe Sache als „Gemeinwohl-Profit“ framen, sähe sie ganz anders aus. Derlei bedeutungsstiftende „Rahmen“ sind unverzichtbar, aber sie müssen interpretiert und bewertet werden.

Für die Kunst bedeutet Framing zweierlei: Nicht nur, dass der real vorhandene Bilderrahmen die Bildwirkung beeinflusst, sondern auch, dass der/die Künstler*in mit ihrer Auswahl des Dargestellten wie mit der Darstellungsweise die Aussage so steuert, dass man es ebenfalls als Framing bezeichnen kann. Nur wird dahinter keine hinterlistige Strategie gesehen, denn der Werkprozess ist per se und notwendigerweise immer Ergebnis vielfältiger Manipulation.

Mit der Öffnung der Kunst für alle erdenklichen, auch bis dahin nie verwendeten Materialien konnte es nicht ausbleiben, dass der Rahmen in den kreativen Blick geriet und zum Thema wurde. Das Bild im Bild war da natürlich schon lange bekannt, bei dem es aber nicht so sehr um das Objekt Rahmen ging. Es gibt eine Menge Beispiele für die Überraschungs- und Verfremdungseffekte, die sich die Zunft zu dem Thema ausgedacht hat, davon hier vier:

Sigmar Polke hat in vielen seiner Bilder mittels transparenter Leinwand den dahinter liegenden Konstruktionsrahmen sichtbar gemacht. Was bis dahin die Bildfläche nur glatt spannen sollte, wird jetzt strukturierender Teil der Darstellung. Eine ironische Perspektivenerweiterung: das wertlose Dienende emanzipiert.

Joseph Kosuth hat mehrere seiner Konzeptkunstwerke dem „Frame“ gewidmet. Sie bestehen in der Regel aus drei Teilen: einem Bilderrahmen, dem Foto dieses Rahmens und einem Lexikontext zum Begriff Rahmen. (Robert Gernhardt hätte hier sicher gesagt: „Mein Gott, ist das beziehungsreich…“)

Jasper Johns war da nicht so bürokratisch, sondern richtig radikal: Er zerstörte Rahmen, montierte die Teile auf die (rahmenlose) Bildfläche und versah sie mit Bilderfetzen. So demontierte er das Rahmenstereotyp ebenso wie Stereotype gegenständlicher Malerei.

Beat Zoderer schließlich lieferte Beispiele für den Übergang in die Plastik. Seine bunten Rahmenobjekte, große Tableaus, kommen allein mit den rechteckigen Formen aus, die hier ohne weitere Zutaten das Bild bestimmen können. Spielerische Montagen, die das ehemals dienende Geviert zum Hauptdarsteller machen.