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WEG: Inge Kamps

Welt in Scherben

Still aus „Waldscherben“ von Inge Kamps

Der Ort eines misslungenen Lebens, einer gescheiterten Gesellschaft, ist der Un-Ort, heute allgemein mit dem Fremdwort Dystopie bezeichnet, bekannt aus Film und Literatur. Diesem hoffnungskritischen Genre fügt Inge Kamps kein neues Science-Fiction-Werk hinzu. Die Fotografin, Videokünstlerin und Malerin hält sich vielmehr an das Reale und Naheliegende, an die Szenen, die wir in unserem Umfeld erleben können. Das ist einmal der verlassene Campingplatz in Kircheib, wenige Gehminuten von der Kulturwerkstatt entfernt. Das sind zum anderen die zerstörten Wälder in der Region. Dystopien des Alltags.

„Campingplatz“ ist der schlicht sachliche Titel der Video-Arbeit, die sich mit dem Areal beschäftigt, das einmal die Inspirationsquelle für die Ausstellung „Weg“ der Künstlergruppe Acht war. Von Pflanzen überwuchert stehen dort verfallene Wohnwagen und Hütten; das vergammelte Mobiliar, Kleidungsstücke und Essensreste auf Tischen vermitteln den Eindruck, als seien die Bewohner allesamt schlagartig geflohen und nie wiedergekehrt. Diesem geheimnisvollen Unort widmet Inge Kamps sechs Filmsequenzen von je ein bis zwei Minuten Länge, sechs kurze Erkundungsgänge über das Areal, die jeweils in einem Standbild enden. Die unheimliche Atmosphäre wird auf dem Farbmonitor deutlich. Der Sound der munter zwitschernden Vögel wirkt wie ein ironischer Kommentar dazu.

Das Ende der nicht fahrbereiten Campingwagen war offenbar ausweglos. Das gilt auch für das Schicksal des Forstes in der zweiten Videoarbeit: „Waldscherben“. Die Dramatik der Zerstörung durch Trockenhheit und Borkenkäfer in den Fichtenbeständen macht Inge Kamps durch eine schnelle Folge in Bewegung gebrachter Schwarz-Weiß-Fotos und darüber geblendeter Videosequenzen deutlich. Die Strukturen der Äste und Stämme, die am Boden liegen, stellt sie heraus und verfremdet sie geichzeitig durch die Überlagerungen der Bilder und ihre Auflösung in weiße Flächen (Weißblende). Das bewegte Ornament in dem Zwei-Minuten-Video ist mit einem elektronischen Sound unterlegt, der noch einmal die Bewegung forciert, die Dramatik verstärkt. Der brasilianische Komponist Paulo Chagas hat den Klang zerbrochener Glasscherben nachempfunden, was auch den Titel der Arbeit „Waldscherben“ erklärt.

Einen Ausweg kann auch die „Lehrtafel Erde“ nicht bieten, die dritte Arbeit von Inge Kamps in der Ausstellung. Es sei denn, man hält die Schönheit dieser informellen Malerei auf Seiten eines Atlanten nun doch für ein Residuum der positiven Utopie. Anderseits ist die Erde hier in zwei Teile zerfallen und die Milchstraße zerfließt in Farbschlieren. Nichts ist – zum Glück – ganz eindeutig in diesen drei Beiträgen.

kamps-lab.de