Ende mit Schrecken

Eine Institution verabschiedet sich: Die „Kunstzeitung“ aus dem Haus Lindinger und Schmid macht Schluss. „Unwiderruflich: Diese KUNSTZEITUNG ist die letzte Ausgabe“, heißt es auf Seite 2 der im Juli erschienen Nummer 306. Fast drei Jahrzehnte lang war das unabhängige Blatt mit Berichten, Analysen und Kommentaren zur Kunstszene ein zuverlässiger Begleiter. Kostenlos lag das Produkt allmonatlich in Museen, Galerien und anderen Kunstbetrieben aus.

Ein gutes Angebot für interessierte Menschen, vor allem auch für weniger Betuchte. Das Blatt zeigte sich in der Regel informativ, fundiert und meinungsstark, war in seiner (Nicht-)Preisklasse konkurrenzlos. Da entsteht jetzt eine deutliche Lücke auf dem Markt.

Warum geben Gabriele Lindinger und Karlheinz Schmid auf? „Wir bleiben auf einem Teil der immens steigenden Produktionskosten sitzen“, schreiben sie. Die Werbeeinnahmen seien in der Pandemie deutlich gesunken und danach nicht wieder ausreichend gestiegen. Die letzte Nummer erschien mit vielen weißen Flächen im Anzeigenraum. Dazu komme, dass Anträge auf Corona-Hilfen abgelehnt wurden: „Nicht einen einzigen Cent bekam die KUNSTZEITUNG während der Corona-Zeit aus dem Neustart-Etat der Kulturstaatsministerin“, so die Klage. Man fühlt sich ungerecht behandelt.

Doch nicht nur die schlechte finanzielle Lage, auch die veränderte Haltung des Publikums spielt eine Rolle für die Entscheidung, das Projekt zu beenden. „Die Digitalgeneration mag sich nicht mehr tief in die Themen beugen.“ Allgemeine Verflachung in der Wahrnehmung gehe einher mit der Verflachung im Programm von Museen, die dafür auch nicht mehr werben wollen, was ja – wenn es stimmt – sogar konsequent wäre.

Selbst teilnehmen an der Digitalisierung, etwa mit einem Blog, wollte die Kunstzeitung offenbar nicht. Im Netz gibt es auf der Website lediglich ein pdf der aktuellen Ausgabe (lindinger-schmid.de). Das Papierzeitalter geht insgesamt zu Ende, die neuen elektronischen Formate haben sich durchgesetzt – und das bedeutet nicht per se Verflachung.

Meinungsfreudig, wie ich sie immer geschätzt habe, ist die Kunstzeitung auch beim Finale. Schmid appelliert noch einmal: „Künstler, aufwachen!“, plädiert für „mehr Avantgarde, weniger Mainstream“. Denn er vermisst den „Mut, das wirklich Neue zu wagen“. Die Künstlerschaft habe Unabhängigkeit und mühsam eroberte Freiräume aufgegeben, stattdessen „überall Duckmäuserei, unsägliche Trauerspiele in den Ateliers“, die Schmid als Brutstätten der Marktangepasstheit und moralischen Korrektheit ausmacht.

Dass diese Kritik keine Ausnahmen erlaubt, nicht die inspirierenden und unangepassten Arbeiten vieler gegenwärtiger Künstler*innen sieht, erstaunt mich. Andererseits hat mich der Besuch der Diplomausstellung der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig vor ein paar Tagen enttäuscht. Der Nachwuchs dort lieferte praktisch eine Bestätigung für Schmids Thesen, doch diese einzelne Stichprobe lässt sich nicht verallgemeinern.

Schmid aber tut das: „Die Lage ist katastrophal“, resümiert er – wer das ohne Einschränkungen und ohne Lichtblick so sieht, will vielleicht auch deshalb keine Kunstzeitung mehr machen.