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Bildbetrachtung

Original ohne Absicht, Absicht ohne Original

Basis-Kosmos. Foto-Datei Jürgen Röhrig 2023

Kratzspuren und Farbflecken auf dunklem Grund. Eine Zeichnung aus hellen Linien, Punkten, unregelmäßigen Klecksen. Die bunten Töne in einer Abstufung von Gelb zu Rot, dazu etwas Blau und Blaugrün – delikat. Das Bild erlaubt den Blick in einen tiefgründigen Kosmos, ist kein Abbild des Nachthimmels, aber belebt wie dieser: Kometenstreifen, Sterne und Spiralnebel, wenn man diese Assoziationen will. Und der Himmel ist bereits vermessen, in einem regelmäßigen Raster, das die Fläche in zwölf Quadrate aufteilt.

Diese Fotografie zeigt einen kleinen Ausschnitt eines Atelierfußbodens in einer Kunsthochschule. Generationen von Studenten haben hier ihre Spuren hinterlassen. Die robusten Industriekacheln, 15 mal 15 Zentimeter, sind arg strapaziert worden, was von den physikalischen und farbchemischen Kräften erzählt, die da ausgeübt wurden, ebenso von einer zeitlichen Entwicklung, die nicht zu Ende ist. Das Ergebnis ist die Summe ungeplanter, zufälliger Einwirkungen. Obwohl keine Absicht dahinter steckt, so ist das Bodenbild vor Ort doch ein Original.

Absicht und geplante Gestaltung sind aber Voraussetzung des Fotos, das die ästhetische Qualität des Gegenstands zeigen soll. Vor Ort fotografiert und am PC aufbereitet, ist das Bild ein eigenständiges Werk zwar, aber kein Original. Wie das bei beliebig oft technisch reproduzierbaren Dingen so ist.