Heine und die Geisterbahn

Während seiner Wanderung durchs Gebirg im Jahr 1824 hat der Protagonist in Heinrich Heines Erzählung „Die Harzreise“ einen Traum: Als Ritter steigt er in einen tiefen Brunnen, der in ein unergründliches Bergwerk führt, in dem allerhand Ungeheuer auf den Besucher einstürmen. Ungetüme greifen mit Krallen nach ihm, zornigen Zwergen und weißen Gespenstern muß er sich erwehren, bis er seine „Herzgeliebte“ findet und das ewige Licht erstrahlt.

Diese romantische Urszene ist aktuell wieder nachgebildet in einem Video des chinesischen Künstlers Lu Yang, dessen Werke jetzt die Kunsthalle Basel zeigt. Yangs Zeichentrickfilm „Hell“ von 2022 (zu sehen bei Youtube) zeigt in einer Videospielästhetik die Wanderung eines Helden, Heines Ritter vergleichbar, der sich in einem kunterbunten Höhlenlabyrinth aller möglichen Monster und Untoten erwehren muss, bis er das strahlend weiße Licht findet. Nur die Dame fehlt – sie ist wohl auch schon tot.

Was hier an die Kirmesattraktion Geisterbahn erinnert und erzählerisch unbedarft auftritt, wird im Begleittext der Kunsthalle unter Aufbietung zahlreicher Superlative überhöht. Es gehe in den Arbeiten von Yang um die grundlegenden Fragen des Menschseins, wie die „Ursprünge des Bewusstseins“, wird suggeriert, und es werden Bezüge zu Philosophien und Kosmologien hergestellt, ohne dass dies jemals konkret wird. Der nahe liegende Bezug zur Romantik indes wird nicht erwähnt – vielleicht aus Furcht vor Heinescher Ironie? Dieser nicht genannte Ideenlieferant hätte die banalen Szenen von Yang nur lächerlich gemacht.

In einem Video-Raum der Ausstellung, so der Baseler Text, „strotzt das Ensemble geradezu vor Sinnesreizen und zieht Betrachtende in einen Zuckerrausch aus pulsierenden Farben und Musik“, zu der makabre Gestalten „tanzen, kämpfen und uns in alternative Realitäten entführen“. Realitäten? Fiktivitäten wohl eher. Und darin waren die Romantiker besser. Das Kopfkino, das Autoren wie ETA Hoffmann, Novalis, Tieck und später besagter Heine in Gang setzen konnten, war um vieles intelligenter und spannender als der Zuckerrausch aus der CGI-Werkstatt (Computer Generated Imagery) und bot auch den Sinnen deutlich mehr. Warum ist das überhaupt von Belang? Weil im Text und im Subtext der steilen Thesen der zitierten Kuratoren immer die nun auch schon alte Mär von den ganz neuen Dimensionen, des Eigenlebens der Elektronik und der Überbietung des Humanen herumgeistert. Der Grund dafür ist, dass dieses Genre von Kunst nur so verkauft werden kann. Gerade weil die Performance so schwach ist.

Die menschlichen Möglichkeiten von Imagination und Kreativität sind aber größer als das, was Lu Yang zeigt. Sie entwickeln sich weiter, und das schneller als die Technik, auch wenn diese Quantensprünge macht. Denn schließlich waren die Menschen in ihren Phantasien den real existierenden Apparaten schon immer voraus.

kunsthallebasel.ch