Die Postkarte, die mich an meiner damaligen Arbeitsstelle vor bald 23 Jahren, im Mai 2001, erreichte, war unterschrieben mit „F. Merz“. Thema: „Leitkultur Deutschland“. Die Vorderseite zeigte das Bild einer Art Montagsdemo von Gartenzwergen. Victor Bonato, der wahre Verfasser der Ansichtskarte (hier wird der Begriff „Ansicht“ doppeldeutig), hatte den CDU-Politiker satirisch-künstlerisch aufs Korn genommen. Mail-Art nannte man das. Als ich das kleine Werk jetzt wiederfand, wurde mir noch einmal deutlich, dass der populistische Kampfbegriff „Leitkultur“ nicht nur kulturfeindlicher Unsinn ist, sondern auch ein uralter Hut. Die Fantasie von „F. Merz“ reichte jetzt offenkundig gerade noch dazu, ihn wieder aus der Mottenkiste zu holen. Aber dahin wird er über kurz oder lang auch wieder verschwinden. Wie hieß es doch in der ebenfalls von Victor Bonato herausgegebenen Aphorismen-Sammlung „Gedanken Lesen. Gedanken Gut“: „Leitkultur ist, wenn dem Leithammel der Leitfaden reißt“.